Termine

Eine kleine Szene, die ich vor ein paar Jahren geschrieben habe 😉

Kleine Parkanlage, im Hintergrund Wolkenkratzer, geschäftiges Treiben auf der Straße.
Auf einer Parkbank wartet nervös ein junger leger gekleideter Mann (Henry).

Ein Älterer kommt von
rechts hinzu (T). Er trägt einen grauen Anzug, einen grauen Trenchcoat und eine
schwarze Aktentasche unter dem Arm. In seinem linken Ohr steckt der Freisprecher
seines Telefons. In der Rechten hält er ein Blackberry, auf dem er ständig
Nachrichten abruft und tippt. Er setzt sich zu dem jungen Mann, hat aber nur
einen flüchtigen Blick  für ihn.

T: Wie ist Ihr Name?

H (nervös): Henry.
Sie kennen mich.

T (sieht von seinem
Blackberry auf
): So? Das glaube ich nicht. Hier begegnet mir jeder zum
ersten Mal (Er tippt wieder auf dem Blackberry.)

H (kleinlaut): Das
ist jetzt das dritte Mal.

T legt sein Blackberry
kurz zur Seite und forscht im Gesicht seines Gegenübers.

T (seufzt): Ich
erinnere mich. (Er greift nach seinem
Blackberry und tippt
) Ich habe keine Zeit für Sie, Henry. Noch lange nicht.
Ich habe erst in zwanzig Jahren einen Termin für Sie vermerkt. Was ist es denn diesmal?

H (spielt mit seinen
Fingern
): Sie wollte mich nicht …

T (greift sich an die
Stirn
): Ist das Ihr Ernst? So eine Lappalie!

H schaut verletzt zur
Seite.

T (räuspert sich):
Wie gesagt, ich habe keine Zeit für Sie. Sie haben hier nichts verloren. (T tippt auf seinem Blackberry) Habe ich
Ihnen das nicht alles schon beim letzten Mal erklärt?

H: Können Sie nicht ’mal eine Ausnahme machen?

T: Sie haben nicht die geringste Vorstellung davon, wie
unmöglich ihre lapidare Bitte ist. (T
sieht auf seine Uhr
) Ich habe dringende Termine. (Er legt das Blackberry auf seinen Schoß, sieht H an) In zehn
Minuten treffe ich ein Dutzend Leute, die mir die gleiche Frage stellen werden
– aber dann wird sie ganz anders gemeint sein. Deswegen mag ich Leute wie Sie
nicht, Henry. Herr je! Sterben muss jeder! Sterben WIRD jeder! Warten Sie Ihre
Zeit ab!

H: Aber Sie müssen sich irren!

T (tippt auf seinem
Blackberry
): Ich irre mich nicht. Termin ist Termin. Sie sollten zusehen,
dass Sie etwas Sinnvolles mit Ihrer Zeit anstellen.

H (schüttelt den Kopf):
Es ist sinnlos!

T (steht auf und
steckt sein Blackberry in die Jackentasche seines Trenchcoats
): Ich habe
nun wirklich keine Zeit mehr. (T sucht in
der Aktentasche einen gelben Zettel heraus und gibt ihn H
) Nehmen Sie das Formular
und geben es in der Hauptverwaltung ab. Damit stehen Sie auf der Koma-Liste. (T tippt sich zum Gruß an die Schläfe) Wir
werden uns erst in zwanzig Jahren wiedersehen.

T holt sein Blackberry
wieder hervor, um eine Nachricht zu lesen und geht rechts an H vorbei aus dem
Bild. H starrt noch eine Weile auf das gelbe Formular, seufzt und geht nach
links von der Bühne.

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